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Serie "Garden of Colours"

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Einführung in arkadische Gefilde oder Gedanken zu "Garden of Colours"

Ein besonderer, unverkennbar eigener Stil lässt die Malerei von Charlotte Herzog aus dem zeitgenössischen Kunstschaffen herausragen. Wie niemand sonst verbindet sie Farben, Symbole, Muster und Chiffren der kulturellen Vielfalt unserer Welt zu einem Konglomerat von farbintensiver Strahlkraft und vereinigt divergierende Elemente nach den von ihr in langjähriger Malerfahrung entwickelten Kompositionsprinzipien zu Bildern von spezifischer, tänzerischer Leichtigkeit und spielerisch wirkender Heiterkeit. Dem sympathisierenden Betrachter vermittelt sich jedoch unmittel- bar, dass die Bildergebnisse als Resultat von aufmerksamer Beobachtung, mitfühlendem Empfinden, ausgeprägtem Farbgefühl und Gestaltungswillen sowie sorgfältiger Planung der Farbschichtungen und präziser Durchführung aller Malakte entstehen.

Um mit dem Medium der Farbradierung die gleichen malerischen Wirkungen zu erzielen, ist ein enormer Aufwand an technischen Arbeitsgängen und künstlerischen Handlungen erforderlich und an dem zwölfteiligen Zyklus "Garden of Colours" beeindruckt zunächst die unglaubliche Raffinesse und die exquisite Qualität der Aquatinta-Drucke, die gleichrangig neben den Gemälde zu stehen vermögen und ihnen in nichts nachstehen. Auch da, wo es eine Wiederholung von aus Herzogs Malerei bekannten Motiven gibt, erhalten diese in der Farbradierung doch eine variierende Gestaltung und gewinnen so ihre eigene Anmutung.

Der Zyklus umfasst zwölf Landschaftsbilder, die ihre Anregung von sehr verschiedenen Weltgegenden beziehen, doch erweist sich der Gegensatz von asiatischen und europäisch beeinflussten Landschaften als prägend. Im Rhythmus der Abfolge wechseln Blätter mit figurativ anmutender und mehr abstrakt erscheinender Innenform, wobei jene sechs Arbeiten mit figurativer Innenform im Gesamteindruck eher abstrakt erscheinen, weil die die Innenform umgebende Komposition eher flächig gestaltet wird und die Landschaftsassoziation nur durch horizontale Linien gewahrt bleibt; wohingegen die sechs Blätter mit nicht-figurativer Innenform eine konkrete landschaftliche Räumlichkeit aufweisen.

Obwohl alle Blätter aus dieser Polarität von "Figuration und Flächigkeit" oder "Abstraktion und Räumlichkeit" ihre Spannung beziehen, wirken sie doch harmonisch und ausgewogen, weil alle Komponenten in aufeinander abgestimmten Beziehungen stehen. Im Detail lassen sich aber dennoch eine Folie von komplementären Farbkontrasten, rhythmischen Formkontrasten und kontrastierenden Strukturelementen entdecken, die einander zu einem wohltemperierten Zusammenklang ergänzen. Hier ist eine gestaltende Hand zu spüren, die dem Chaos der Welt eine ebenso intuitive wie wohlüberlegte Ordnung entgegensetzt.

Die Bezeichnung "Garden of Colours" erweist sich so als Name und Programm, indem mit dem Bild des Gartens eine aus der wüsten Umgebung herausgehobene, durch Zaun oder Mauer separierte, von Menschenhand gestaltete "kleine Welt" bemannt wird. Ein Garten gilt als Inbegriff kulturellen - und kultivierten - Ziel gerichteten Handelns, dessen Wirkungen sich langfristig in der Zeit und Im Wechsel der Jahreszeiten entwickelt; er bezeichnet ein archetypisches Bild von hohem Gefühlswert. Er ist ein Ort der Lebensfülle und Schönheit, in dem eine lustvolle, erotisch ganzheitliche Lebensform gepflegt werden kann. Er ist ein Ort der Zuflucht und der Heimlichkeit, des Schutzes und der Intimität, an dem sich "kultiviertes" Wachstum ereignet und die Kräfte von Natur und Kultur zu Freude, Erbauung, Muße und Genuss der in ihm sich aufhaltenden Menschen zusammenwirken.

Dem römischen Dichter Vergil verdanken wir die Beschreibung eines gartenähnlichen Bereiches, in dem Schäfer und Schäferin in paradiesischer Unschuld leben sollen: Arkadien. Vergil schrieb seine Hirtengedichte in unruhigen Zeiten und brachte seine Hoffnung auf ein Goldenes Zeitalter als utopische Friedenssehnsucht zum Ausdruck. Er setzt Arkadien als Metapher für eine ursprüngliche Glückseligkeit, die von einfacher, edler Gesinnung , musischer Empfindsamkeit und dichterisch-künstlerischem Schaffen geprägt ist und damit als Kritik gegen augustäische Großmannssucht und die politischen Spannungen und Bedrohungen seiner Zeit verstanden werden kann. So ist es sicher kein Zufall, wenn Charlotte Herzog dem letzten Blatt ihres Zyklus den Titel "Arcadia" gibt.

 

Berlin, im Juni 2002 | Brigitte Hammer